Moralische Bedenken

Zu Zeiten der ersten Bäder bestanden strikte Geschlechtertrennungen. Wenn nicht räumlich wie im Lorettobad, so dann zeitlich, meist mit einer deutlichen Einschränkung für die Frauen. So konnten diese z.B. im Marienbad noch in den Zwanzigern nur zwei Vormittage und einen Nachmittag das Bad nutzen, alle übrigen Zeiten waren den Männern vorbehalten. Im Faulerbad hatten Frauen täglich nur zwei Stunden zwischen 10 und 12 Uhr Zutritt. Hier ist zu erwähnen, dass noch heute eine getrennte Damenabteilung im Lorettobad besteht. Damit dürfte es eines der einzigen Bäder in Deutschland sein, das immer noch diese Trennung aufrechterhalten hat.

Mit zunehmender Popularität der Bäder - vor allem in den heißen Sommern - wurde von Seiten der Bevölkerung mehr und mehr Druck auf die Stadtverwaltung ausgeübt, zumindest eines der Bäder als Familienbad (in dem beide Geschlechter planschen dürfen) auszuweisen. 1928 gingen Unterschriftenlisten herum, die den Stadtrat dazu aufforderten, das Lorettobad als Familienbad zu auszuweisen. Anfangs schien der Stadtrat auch einzulenken, doch wurden schließlich schlechte Witterungsbedingungen und andere wichtige Baumaßnahmen als Ausrede benutzt, weshalb kein erweitertes Familienbad gebaut werden konnte.
In dem lang andauenden Streit meldete sich schlussendlich der Erzbischof persönlich in einem Hirtenbrief am 7. Mai 1930 zu Wort, bei denen die sonst nie erwähnten moralischen Bedenken dann doch laut ausgesprochen wurden:

„Was das gemeinsame öffentliche Baden von Personen gleichen Geschlechts betrifft, so müssten die Badplätze an Orten liegen, die den Blicken der Nichtbadenden, zumal der Kinder, tunlicht entzogen sind. Im Bade selbst ist ein Badeanzug zu benützen, der genügend verhüllt. Das gemeinsame Baden von Personen verschiedenen Geschlechts ist völlig unstatthaft, weil es das gegenseitige Schamgefühl beeinträchtigt und oft gänzlich zerstört. Was die so genannten Familienbäder angeht, so widersprechen sie offenkundig der christlichen Anschauung und Sitte. Sie stumpfen das natürliche Schamgefühl bei den Eltern und Kindern ab, von den Versuchungen gar nicht zu reden, die sie in sinnlich reizbaren und sittlich noch ungefestigten jungen Menschen wachrufen können. Das moderne Badeunwesen ist zuletzt nur eine neue Äußerung des unchristlichen materialistischen Geistes und ein zielbewusster Vorstoß der kirchen- und christenfeindlichen Mächte, die wohl wissen, dass ein sittlich morsches Volk zu einem willigen Werkzeug und Opfer des Unglauben wird.“

Bademode 1930

Der gleiche moralische Grundsatz galt auch für die Bademode. Die in den 20er Jahren in Mode gekommenen „Dreieck-Badehosen“ für Herren wurden bereits früh aus sämtlichen Badeanstalten verbannt. Männer mussten Badenhosen mindestens mit Beinansatz, in den später eingerichteten Familienbädern zeitweise sogar Badeanzüge tragen.

1912 schrieb der Kulturhistoriker Eduard Fuchs in seiner „Illustrierten Sittengeschichte“:

Das moderne, mondäne Badekostüm der Frau will unbedingt als eine zweite Haut wirken. In dieser zweiten Haut ist der Frau das öffentliche‚ sich nackt zeigen’ gestattet. In den Luxusbädern dient das Leben zu einem Großteil überhaupt nur diesem Zweck, und das Baden selbst ist deshalb für viele Frauen nur der Vorwand“.

So ist es nicht erstaunlich, dass zu dieser Zeit, die Badeordnung für Frauen einen Badeanzug, an dem selbst der Rücken bedeckt ist, vorschrieb. Bei der Umwidmung des Loretto Herrenbades zum Familienbad schlug die Stadtverwaltung sogar vor, „dass die Damen bezüglich der Damenmoden das Kostüm bis zum Hals geschlossen halten und die Fußknöchel bedeckt bleiben“ (1). Die Erkenntnis, dass die üppig proportionierte Bademode nur schwer trocknet und die Leute sich dadurch ziemlich leicht erkälten können, wurde erst im Nachhinein festgestellt.

 

Quelle

(1) Zitat der Stadtverwaltung in Michael Zäh, 1991: „Ich liebe eine Unbekannte“. Festzeitschrift 150 Jahre Lorettobad, Bürgerverein Mittel- und Unterwiehre e.V., Freiburg